27-jähriger Schottener Kerry Hau pendelt als Journalist zwischen Fußball-Welten

Von Florian Deis

SCHOTTEN/MÜNCHEN. Gareth Bale, Kylian Mbappe, Javi Martinez: Wenn Kerry Hau an seinen Texten arbeitet, dann geht es in aller Regel um die ganz großen Namen des Fußball-Kosmos. Denn der 27-jährige Schottener, der in seiner Heimat auch noch regelmäßig für die Kreisoberliga-Kicker von Blau-Weiß die Schuhe schnürt, arbeitet als Reporter für den Streamingdienst DAZN sowie die zugehörigen Online-Portale Spox und Goal. Und hat damit seinen Traumjob gefunden.

Denn dass Hau etwas im Zusammenhang mit Fußball machen wollte, das wusste er im Grunde immer. „Als Fußballer“, lacht Hau, „ist es nichts geworden.“ Dafür aber als Journalist. Weil ihn, der schon in der Schule ein Talent fürs Schreiben beweist, seine Leidenschaft für das runde Leder und zu Real Madrid, der Club aus der Heimatstadt seiner Großmutter, antreibt, eifrig im Forum eines deutschen Real-Portals mitzudiskutieren. Dies offenkundig äußerst konstruktiv und wortgewandt, so dass der damalige Teenager aus dem Vogelsberg eines Tages von den Betreibern der Seite die Offerte erhält, als freier Mitarbeiter mitzuwirken. Wenn man so will, ist das der Startschuss seiner beruflichen Laufbahn.

In dieser Zeit nämlich fasst Hau den Entschluss, Sportjournalismus studieren zu wollen. Und sammelt über Praktika weitere Erfahrungen. 2016 vermittelt Thorsten Braun, Präsidiumsmitglied bei Blau-Weiß Schotten, durch sein Netzwerk schließlich ein Praktikum bei Sport1, insgesamt vier Monate arbeitet Hau für den Münchener Sender. „Nur gut zu schreiben, reicht nicht. In dieser Branche braucht man halt Kontakte“, weiß er.

Bereits in seiner ersten Woche darf sich Hau beweisen: Bei einem Interview mit dem damaligen Bayern-Mittelfeldmann Arturo Vidal. Der Chilene spricht spanisch, „und bei Sport1 war ich der einzige, der auch spanisch konnte“, erinnert sich Hau. „Also war ich mit einem erfahrenen Reporter vor Ort und habe übersetzt. Das hat gut geklappt.“ Ab diesem Zeitpunkt hatte der Schottener gewissermaßen einen Fuß in der Tür, er war endgültig angekommen in der Branche. „Dass ich fließend spanisch spreche, war mein großes Plus, mein Alleinstellungsmerkmal. Auch die Spieler fühlen sich wohl und freuen sich, wenn man ihre Sprache spricht.“

Auch nach dem Praktikum bleibt Hau dem Sender als freier Mitarbeiter erhalten. Als schließlich ein Kollege zu DAZN übersiedelt, empfiehlt er seinem neuen Arbeitgeber, Hau an Bord zu holen. „Dann wollten die mich haben.“ Das Angebot der Festanstellung nimmt er an, wechselt 2018 zum in Ismaning ansässigen deutschen Produktionsstandort des Streamingdienstes. Als zuständiger Reporter für den FC Bayern und die deutsche Nationalmannschaft verantwortet er prominente Themen, berichtet zudem regelmäßig über das internationale Fußballgeschehen.

„Das ist ein sehr aufregender und spannender Job“, freut sich Hau, der obendrein bereits zwei Bücher – eines über Real Madrid, ein anderes über Marco Reus – geschrieben hat. Mit einem Klischee aber möchte er aufräumen: „Viele denken, man sitzt einfach ständig im Stadion. Aber so locker ist es natürlich nicht. Nach den Spielen geht es ja erst richtig los: Interviews führen, zur Pressekonferenz gehen, Artikel schreiben.“ Als er vergangenes Jahr die deutsche Nationalelf zum EM-Qualifikationsspiel nach Nordirland begleitete, wurde die Nacht zum Tag. „Morgens um 6 Uhr war ich mit meinen Texten fertig, vier Stunden später war Check-Out im Hotel.“ Hau weiß um die Schattenseiten seines Berufs, der Wochenendarbeit, ständige Erreichbarkeit und eine hohe Flexibilität mit sich bringt. „Aber das überwiegt für mich nicht. Für mich ist das eher positiver Stress und mit Mitte 20 ein absoluter Traumjob. Es ist genau die richtige Zeit, sowas zu machen.“

Erlebnisse jedenfalls hat er schon jetzt zuhauf gesammelt. Bei mittlerweile drei Endspielen der Champions League war Hau als Reporter dabei. „Das Medienaufkommen, die Magie in der Stadt – das sind tolle Eindrücke.“ Mit Emre Can, damals noch bei Juventus, hat er in Turin ein Exklusivinterview führen dürfen. Beim Audi Cup in München traf er Kindheitsidol und Real-Trainer Zinedine Zidane und plauderte mit dem Franzosen. „Ich habe mir viele Träume erfüllt.“ Der nächste: Bei der EM 2021 wird Hau die deutsche Nationalmannschaft begleiten.

Themen finden, Texte produzieren, Informationen sammeln – das ist das Tagesgeschäft. Genauso wie das Netzwerken. Täglich steht Hau in Kontakt mit Spielern, Beratern und Vereinen. „Mein Kontaktbuch“, lacht er, „hat sich in den letzten zwei Jahren extrem gefüllt.“ Die Nummer von Günter Netzer steht darin. Mit dem einen oder anderen Spieler ist er befreundet. Ein Spagat bei der objektiven Berichterstattung? Hau verneint. „Wenn die Aufnahme läuft, reden wir über das Sportliche, danach auch mal über private Sachen. Wenn der Spieler schlecht spielt, kritisiere ich ihn, das ist klar. Aber ich bin kein Boulevard-Journalist, sondern für mich zählt bei der Berichterstattung allein das Sportliche.“ Wohlwissend, dass auch die Clubs stets ein Wörtchen mitsprechen wollen und Aussagen ihrer Spieler zur Autorisierung anfordern. „Das ist ein Problem des Fußballs, da wird viel an interessantem Material rausgestrichen.“ Aber: „Ich will es mir mit keinem verscherzen. Denn ohne ein gutes Verhältnis ist es weitaus schwieriger, an Infos zu gelangen.“

Wenn der Job ihm eine Pause gönnt, dann geht es regelmäßig vom aktuellen Lebensmittelpunkt in München in die Heimat nach Schotten. Zur Familie, zu den Freunden, zum Fußball. Fernab nicht nur der Großstadt, sondern auch der großen Namen des Geschäfts.

Quelle: Kreis-Anzeiger vom 15.08.2020